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Künstliche Intelligenz in der anwaltlichen Praxis: Chancen und Risiken am Beispiel von ChatGPT

  • Autorenbild: Pascal Kuhn
    Pascal Kuhn
  • 4. Juni
  • 2 Min. Lesezeit

Die rasante Entwicklung generativer KI wie ChatGPT eröffnet auch im juristischen Bereich neue Möglichkeiten – von automatisierten Vertragsentwürfen bis hin zur Beantwortung rechtlicher Fragen. Gerade in der anwaltlichen Praxis begegnen wir jedoch zunehmend auch den Schattenseiten dieser Technologie: Mandanten, Gegner oder Schuldner kommen mit vermeintlich „gerichtsfesten“ Argumenten aus KI-Systemen, die der rechtlichen Realität nicht standhalten.


In diesem Beitrag beleuchten wir die Potenziale und Grenzen von KI-gestützten Tools wie ChatGPT im juristischen Alltag – insbesondere im Umgang mit juristischen Laien.


Vorteile von KI-Tools in der Anwaltskanzlei

1. Effizienzsteigerung durch AutomatisierungKI-Systeme können Routineaufgaben erheblich beschleunigen: Standardtexte, Mahnschreiben, erste Vertragsprüfungen oder einfache rechtliche Einschätzungen lassen sich automatisiert vorbereiten. Das spart Zeit und Ressourcen – insbesondere in der Mandatsbearbeitung mit hohem Volumen (z. B. Inkasso, Massenverfahren).

2. Unterstützung bei RecherchenChatGPT kann bei der rechtlichen Einordnung von Sachverhalten oder bei der Identifikation relevanter Normen eine erste Orientierung bieten. Gerade bei neuen Themenkomplexen oder fremden Rechtsordnungen kann das eine gute Grundlage für die weitere vertiefte juristische Prüfung sein.

3. Mandantenkommunikation & Legal DesignDurch KI-generierte Texte können komplexe rechtliche Sachverhalte laienverständlich aufbereitet werden – ein Plus in der Kommunikation mit Mandanten und bei der nutzerfreundlichen Darstellung rechtlicher Informationen, z. B. auf Kanzleiwebseiten oder in FAQs.



Herausforderungen und Risiken – besonders im Umgang mit juristischen Laien

1. Scheinbare Autorität: KI als „Rechtsberater“

Ein zentrales Problem ist, dass juristische Laien KI-Antworten oft mit der Autorität eines Anwalts gleichsetzen. ChatGPT liefert Texte, die sprachlich professionell klingen – unabhängig davon, ob sie inhaltlich korrekt oder rechtlich haltbar sind. Dies führt dazu, dass Schuldner oder Gegner ihre Rechtsauffassung plötzlich auf „eine KI“ stützen, obwohl die Informationen fehlerhaft, veraltet oder aus einem völlig anderen Rechtskreis stammen.


2. Mangel an Subsumtionsfähigkeit

KI-Systeme wie ChatGPT können derzeit keine echte juristische Subsumtion vornehmen. Die feine Einordnung eines Sachverhalts unter eine konkrete Norm bleibt weiterhin juristischer Expertise vorbehalten. KI kann also bestenfalls „generalisieren“, aber keine rechtlich belastbaren Entscheidungen treffen.


3. Verfestigung falscher Vorstellungen

In der anwaltlichen Praxis zeigt sich vermehrt: Schuldner lehnen Zahlungsaufforderungen oder rechtliche Einschätzungen ab, weil „ChatGPT etwas anderes sagt“. In Streitfällen werden fehlerhafte KI-Antworten zur Grundlage für haltlose Argumentationen – was Verfahren unnötig verzögert und Konflikte verschärft.


4. Fehlende Aktualität & Kontextsensitivität

Die meisten KI-Modelle – insbesondere ChatGPT in seiner Standardform – verfügen nicht über eine tagesaktuelle Rechtsdatenbank. Urteile oder Gesetzesänderungen nach dem letzten Trainingszeitraum werden nicht berücksichtigt. Auch wird häufig nicht erkannt, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche, arbeitsrechtliche oder zivilrechtliche Fragestellung handelt.



Fazit: Ein wertvolles Werkzeug – mit klaren Grenzen

KI-Systeme wie ChatGPT können für Anwälte ein effizientes Werkzeug zur Unterstützung interner Prozesse und zur Mandantenkommunikation sein. Sie sollten jedoch niemals als Ersatz für rechtliche Prüfung, juristische Ausbildung oder menschliche Subsumtionsfähigkeit verstanden werden.


In der Auseinandersetzung mit juristischen Laien – etwa Schuldnern im Inkassoverfahren – ist es ratsam, aufklärend zu reagieren. Ein klarer Hinweis auf die Unverbindlichkeit KI-generierter Inhalte und die Notwendigkeit rechtlicher Beratung ist nicht nur angebracht, sondern im Sinne der Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit unerlässlich.


Hinweis für Kanzleien: Erwägen Sie, in Standardkommunikationen (z. B. Mahnschreiben oder allgemeinen Hinweisen an Schuldner) einen kurzen Passus aufzunehmen wie:

„Bitte beachten Sie, dass Informationen aus KI-gestützten Systemen wie z.B. ChatGPT keine rechtsverbindliche Beratung darstellen. Die rechtliche Einschätzung erfolgt auf Basis der aktuellen Rechtslage und der konkreten Sachverhaltslage.“

 
 
 

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